
von Ari Dorbert
Werbung kommt von Werben, dem Werben um die Gunst anderer, und hat mit reinem Anpreisen nichts zu tun. Mit 12 Jahren wurde mir das schlagartig klar.
Als ich 12 Jahre alt war, gab es ein Mädchen, in das ich mich verguckt hatte. In der Schule stand ich während der Pause immer dort, wo sie stand. Wenn sie ein paar Schritte weiterging, ging ich hinterher. Ich ließ mich nicht leicht abschütteln. Irgendwann – es war der Tag der Halbjahreszeugnisse – stand ich wieder neben ihr und präsentierte stolz meine guten Noten, nicht ohne zu betonen, dass ich plante, die eine oder andere Leistung bis Jahresende sogar noch zu steigern. Sie kaute fröhlich an ihrem Schokokussbrötchen, was ich als Interesse an mir interpretierte.
Am nächsten Tag führte ich ihr meine neuen Turnschuhe vor, die ich ganz alleine ausgesucht hatte. Sie lief nicht gleich fort, also fühlte ich mich ermutigt, mehr von mir zu erzählen: Ich sei für mein Alter ungewöhnlich entwickelt und vernünftig und hätte mir erhebliche Kenntnisse über fremde Planeten und Amphibien angeeignet. Ich besäße außerdem ein Mikroskop, einen eigenen Kassettenrekorder und drei große Chinaböller. Ich sähe mindestens ein halbes Jahr älter aus, als ich tatsächlich wäre, und hätte natürlich schon einmal ein Mädchen geküsst. Zudem sei ich sehr nett und sympathisch und man könne mir getrost jedes Geheimnis anvertrauen. Das Mädchen schien sprachlos, dann rannte es weg.
Damals erklärte ich mir meinen Misserfolg mit ihrer mangelnden intellektuellen Reife, hatte ich die Argumente doch glasklar auf meiner Seite. Man merkt vielleicht, worauf es hinausläuft: Gerade das war das Problem. Was Menschen nicht im Herzen oder wenigstens im Bauch berührt, erreicht nur selten ihren Kopf. Da kann man betonen, beteuern und schönreden, wie man will – ohne den schon zur Floskel gewordenen „emotionalen Mehrwert“ (man könnte es auch „menschlichen Faktor“ nennen) ist es nicht viel wert. Aber hinterher ist man immer schlauer, hinterher, wenn man weiß, wie das mit der Werbung und der Kommunikation eigentlich geht.